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Nachhaltiges Reisen

Darf ich jetzt nicht mehr in den Urlaub fliegen?

Bild von tawatchai07 auf Freepik

Um dieses Missverständnis schnell aus dem Weg zu räumen: Auf jeden Fall darf man weiterhin fliegen!!! Durch das Kennenlernen fremder Kulturen trägt der Tourismus entscheidend zu Völkerverständigung und Toleranz bei, was in der heutigen Zeit wichtiger denn je ist.


Allerdings sollte jeder sein eigenes Flug- bzw. Reiseverhalten überdenken: Muss es wirklich der Wochenendshoppingtrip nach Mailand oder New York sein? Muss ich wirklich von Berlin nach München fliegen, wenn mir hierzu sogar eine schnelle ICE Verbindung zur Verfügung steht?

Doch fangen wir erst einmal von vorne an.

Was bedeutet nachhaltiges Reisen überhaupt?
 

Die Welt Tourismus Organisation (UNWTO) definiert nachhaltigen Tourismus als „eine Einrichtung, die die gegenwärtigen und künftigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen voll berücksichtigt, um den Bedürfnissen der Besucher, der Industrie, der Umwelt und der gastgebenden Gemeinschaften gerecht zu werden.“ 
Somit steht nachhaltiger Tourismus im Einklang mit Natur und Landschaft, ist auf ein nachhaltiges Wirtschaften ausgerichtet, setzt auf Ressourceneffizienz und Klimaschutz und bietet beste Voraussetzungen dauerhaft zu einer regionalen Wertschöpfung beizutragen.

Stichwort  lokale Wertschöpfung:
Wenn im Tourismus von lokaler Wertschöpfung gesprochen wird, ist damit gemeint, dass ein Mehrwert durch das Reisen bei den Menschen in der Region ankommt. Dabei geht es um wirtschaftliche Effekte ebenso wie um Kulturerhalt und Naturschutz.

Greifbare Beispiele was das genau für nachhaltige Reisen bedeutet:


Hierbei geht es um Maßnahmen seitens der Tourismusunternehmen UND der Reisenden.

Umweltschutzmaßnahmen: z.B. durch die Reduzierung von Abfällen, Recycling, Verwendung erneuerbarer Energien, Wassersparmaßnahmen. 
Schutz der natürlichen Ressourcen: z.B. durch die Unterstützung von Naturschutzgebieten und die Vermeidung von Aktivitäten, die die Umwelt schädigen, wie z.B. Abholzung.
Vermeidung von Umweltschäden: z.B. durch umweltfreundliche Verkehrsmittel, Reduktion von CO2-Emissionen, Förderung von nachhaltigen Baupraktiken.
Faire Arbeitsbedingungen: z.B. Sicherstellung fairer Löhne und Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer im Tourismussektor.
Kulturelle Wertschätzung: z.B. Respekt und Förderung der lokalen Kultur und Traditionen, Unterstützung von Projekten, die das kulturelle Erbe bewahren. 
Einbeziehung der lokalen Gemeinschaft: Einbindung der lokalen Bevölkerung in die Planung und Entwicklung von Tourismusprojekten um sicherzustellen, dass ihre Bedürfnisse und Interessen berücksichtigt werden.

Tipps für nachhaltiges Reisen


Weitere Detailinformationen:
forumandersreisen.de/nachhaltigkeit/tipps-fuer-nachhaltiges-reisen

1. Reise möglichst nicht in der Hauptsaison. Das ist für Familien mit schulpflichtigen Kindern natürlich leichter gesagt als getan. Wenn man an Schulferienzeiten gebunden ist, hilft es, nicht unmittelbar zu Beginn der Ferien zu starten, und gezielt An- und Abreisetage an den Wochenenden zu vermeiden.

2. Für die Anreise sollte man versuchen eine ökologische Anreiseform zu wählen mit Zug, Bus, E-Mobil oder dem Fahrrad. In Europa erlebt auch der Nachtzug gerade ein Revival, so dass auch längere Strecken quasi im Schlaf überwunden werden.

3. Lässt sich ein Flug aufgrund der Erreichbarkeit des Ziels nicht vermeiden, dann bleibt die Möglichkeit, die entstehenden klimaschädlichen CO2 Emissionen z.B. über atmosfair (www.atmosfair.de) zu kompensieren. Der Klimaschutzbeitrag unterstützt Projekte, die saubere, erneuerbare Energie zu Menschen in abgelegenen Regionen bringt, und so Lebensumstände verbessert und zugleich dem Klima zugutekommt.

4. Bevorzuge kleine, inhabergeführte Unterkünfte – da ist nicht nur eine persönliche Betreuung gewährleistet, sondern das Geld kommt auch direkt bei den Menschen im Land an.

5. Weiche auf weniger besuchte Orte aus. Man kann nicht nur auf dem Canale Grande schöne Gondelfahrten machen.

6. Plane Zeit für Begegnungen mit den Menschen vor Ort ein und begegne ihnen respektvoll und auf Augenhöhe.

7. Gehe achtsam mit Natur und Umwelt um.

8. Nutze die Ressourcen sinnvoll. Braucht man wirklich jeden Tag ein frisches Handtuch oder Bettwäsche?

9. Regionale Lebensmittel bevorzugen. Diese haben kurze klimafreundliche Lieferwege und tragen dazu bei, dass regionale landwirtschaftliche Produzenten vom Tourismus profitieren. Gleiches gilt für alle anderen produzierenden Gewerbe: vom Fischer über das Kunsthandwerk bis hin zu regionalen Produkten.

10. Schaffe Dir eigene Erlebnisse statt das Bild Anderer auf Instagram nachzuahmen.

Das Problem am nachhaltigen Tourismus ist nachhaltige Angebote zu identifizieren. Der Siegel-Dschungel, die fehlende Kenntnis was eigentlich nachhaltig Reisen bedeutet und das professionell betriebene „green washing“* von vor allem großen Anbietern, macht es schwer geeignete Angebote zu finden, die wirklich nachhaltig sind. Selbst im Reisebüro wird man bei Nachfrage oft nicht fündig.

Zudem herrscht die Meinung, das nachhaltiges Reisen teurer ist, auch dieser Aspekt stimmt nicht wirklich.

Wer sich weiter zu dem Thema und zu nachhaltigen Reiseangeboten informieren möchte ist beim Interessenverband für nachhaltigen Tourismus im deutschsprachigen Raum, dem „Forum Anders Reisen“, genau richtig. Im Verband haben sich etwa 140 kleine und mittelständische Reiseveranstalter zusammengeschlossen, die sich für einen Tourismus einsetzen, der langfristig ökologisch tragbar, wirtschaftlich machbar sowie ethisch und sozial gerecht ist. Dabei legen die Mitglieder besonderen Wert darauf, die Ressourcen vor Ort sorgfältig und gezielt zu nutzen sowie respektvoll mit den verschiedenen Kulturen umzugehen. Gemeinsam übernehmen sie Verantwortung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowohl hier als auch in den bereisten Ländern. Dazu haben sich die Mitglieder in einem umfangreichen Kriterienkatalog verpflichtet, dessen Einhaltung durch einen CSR-Prozess überprüft wird. In Öffentlichkeit und Politik schafft das forum anders reisen seit seiner Gründung 1998 ein stärkeres Bewusstsein für die ökologischen, ökonomischen und sozio-kulturellen Auswirkungen des Reisens, setzt Impulse für einen verträglichen und fairen Tourismus und schafft nachhaltige Standards für die Reisebranche.
forumandersreisen.de

Ein weiterer guter Hinweis ob eine Reise nachhaltig ist oder ist, ist die Zertifizierung des Reiseanbieters durch eine unabhängige Institution. Einer der renommiertesten Zertifizier im deutschsprachigen Raum ist Tourcert. Weitere Informationen unter tourcert.org

Ich wünsche Ihnen allen zauberhafte Reiseerlebnisse!

* green washing: „Allgemein versteht man unter „Greenwashing“ den Versuch von Organisationen, sich insbesondere durch Maßnahmen im Bereich Kommunikation und Marketing ein „grünes“ bzw. „nachhaltiges“ Image zu geben, ohne entsprechende, nachhaltigkeitsorientierte Aktivitäten im operativen Geschäft tatsächlich systematisch umzusetzen.“ www.umweltbundesamt.de/greenwashing-sustainable-finance

Autorin: Susanne Ceron Baumann. Von 2000 bis 2023 in diversen leitenden Funktionen in der Tourismusbranche tätig. Seit 2023 Projektleiterin vocatium Potsdam beim IfT.
 

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