Berufe im Porträt

Berufsziel Wanderschäfer*in

Arkadien so nah

Die Schäferei zählt zu den ältesten Berufen der Menschheit. Neben der stationären Schäferei, deren bekanntestes Bild vielleicht die Schafe auf den Nordseedeichen ist, gibt es auch heute noch Wanderschäfer*innen. Ein Beruf, der inzwischen eher wirkt wie aus einem Märchen oder einem Fantasyroman. Doch es gibt ihn wirklich noch – und er übernimmt heute eine wichtige Rolle im Umweltschutz.


(ps) Die Schäferei zählt nicht nur zu den ältesten Berufen, sie hat auch zahllosen Generationen von Schriftsteller*innen und Künstler*innen aller Metiers als Inspiration gedient. Im alten Griechenland gab es die von einem Hirtenvolk bewohnte Landschaft namens Arkadien – ein Anblick, der schon in der Antike einen Mythos entstehen ließ, in dessen Mitte der freie Hirte in einer Naturidylle sein glückliches Leben lebt – Arkadien ist nah am Paradies. Seit der Antike bis in die Neuzeit haben sich verschiedene Hirten- und Schäferdichtungen als literarisches Thema entwickelt, Gemälde wurden erschaffen, Statuen errichtet, Opern geschrieben. Nur wenige Berufe haben so tiefe Spuren in der Kunst- und Kulturgeschichte des Westens hinterlassen. Die Wanderschäferei in Süddeutschland steht sogar auf der Unesco-Liste für immaterielles Kulturerbe.

Schäfer*innen sind heute Naturschützer

Leben und Arbeiten in der freien Natur gehört auch heute noch zu den bestimmenden Aspekten der Wanderschäferei. Im Einklang mit den Jahreszeiten, bei Wind und Wetter. Ein*e Wanderschäfer*in betreut im Schnitt 300 bis 600 Schafe, manchmal auch noch mehr. Unverzichtbar sind die speziell ausgebildeten Hütehunde, mit denen die Schafherde zusammengehalten und gelenkt werden kann. Heute meistens ohne braunen Filzmantel, Hut und Hirtenstab ziehen so die Wanderschäfer*innen mit ihren Herden durch die Landschaft. Während die meisten Menschen beim Nutzen der Schäferei an Wolle, Fleisch und Käse denken, wissen die wenigsten, dass gerade die wandernde Schafhaltung einen kaum verzichtbaren Beitrag zum Natur- und Umweltschutz leistet. Selbst in der regionalen Politik: „Was wir für den Naturschutz leisten, das weiß man in vielen Rathäusern gar nicht“, berichtet Wanderschäfer Jan-Ole Stephan der Allgemeinen Zeitung.

Viele durch den Menschen entstandene Kulturlandschaften haben wichtige Funktionen. Auf beweideten Flächen versickert Regenwasser besser, was etwa Bergwiesen vor Erosion schützt. Gras- und Heidelandschaften werden vor Verwaldung geschützt, auf Deichen entsteht eine feste, dichte Grasnarbe. Von der Lüneburger Heide über den Harz bis in die Alpen könnten viele Landschaften nicht oder nur unzureichend erhalten werden, gäbe es die Schafherden nicht, die dort vorüberziehen, Gehölzsämlinge fressen, die Krautschicht ausdünnen, und dann weiterziehen. Mit ihren schlanken Hufen und ihrer speziellen Art zu grasen hinterlassen Schafe gepflegte Flächen, die mit anderen Weidetieren so nicht erreicht werden können. Tatsächlich sind spezielle Fördergelder für Umweltschutzleistungen heute nicht selten die größere Einnahmequelle für Wanderschäfer*innen, als die Schaferzeugnisse.

Zwischen Idylle und harter Arbeit

Die Schönheit der naturverbundenen, sinnvollen Arbeit als Schäfer*in darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Beruf auch harte Arbeit bedeutet. Arbeit in der Natur bedeutet eben auch: Arbeit bei schlechtem Wetter. Die Schafe können außerdem nicht wie ein Computer heruntergefahren und am nächsten Morgen wieder angeschaltet werden. Schäfer*innen tragen kontinuierlich Verantwortung für ihre Herde und die Hunde, die Arbeitszeiten sind lang, Freizeit gibt es wenig. Hinzu kommen wachsende bürokratische Aufgaben, Dokumentationspflichten, und immer wieder Kontakt mit den Behörden, um Triebgenehmigungen für die Herde einzuholen. Dafür gibt es kaum Routine: Jeder Tag ist neu, immer wieder gibt es andere Herausforderungen. Und der Beruf ist weitgehend unberührt von der Digitalisierung.

„Ein bunter Haufen“

Die Schäferei und speziell die Wanderschäferei, ist eine kleine Branche, die zudem seit Jahren schrumpft. Viele Schäfer*innen klagen über die Bürokratie, der Wollpreis ist im Keller, der Fleischpreis war auch mal besser. Und der kontinuierliche Autobahn- und Straßenbau sowie Siedlungsbau blockieren immer öfter teils jahrhundertealte Wanderrouten und macht das Leben schwerer. Hinzu kommt: „Reich wirst du in dem Beruf nicht“, sagt Jan-Ole Stephan. Das sagt auch seine Schäferkollegin Anke Mückenheim, und sie ergänzt: „aber meine Arbeit macht mich glücklich!“ Mückenheim schwärmt im Friesenanzeiger: „Das ist mein Leben – mit Herz und Seele.“ Tatsächlich stellt auch heute noch der Beruf in der Natur mit der Arbeit am Tier eine Sehnsuchtsvorstellung für viele Menschen dar.

Und so werden auch die Biographien der Schäfer*innen abwechslungsreicher. „Wir Schäfer sind ein bunter Haufen“, sagt Joshua Seeberger der Zeit. Immer häufiger gibt es Quereinsteiger, die zuerst etwas anderes gemacht haben – so etwa Patricia Sachau, die in der NDR Nordstory porträtiert wird: Sie war zuerst Graphikdesignerin in Hamburg, bevor sie sich entschloss, Schäferin zu werden. Auch der Anteil der Abiturient*innen nimmt in der Schäferei zu – der Wunsch, etwas „Echtes“ zu machen, nicht den ganzen Tag vor dem Computer zu sitzen, zieht so manchen in diesen besonderen Beruf. Und da Nachwuchs händeringend gesucht wird, stehen die Chancen für Interessierte nicht schlecht – ob als Selbstständige*r oder als angestellte*r Schäfer*in.

Die Ausbildung: Tierwirt*in – Schäferei

Wer Wanderschäfer*in werden will, macht in der Regel die dreijährige duale Ausbildung zum/zur Tierwirt*in im Fachbereich Schäferei. Hier wird alles vermittelt, was für die Schafhaltung wichtig ist: Neben der Praxis der Wanderschäferei gibt es auch stationäre Hüte- und Koppelhaltung. Pflege und Versorgung der Schafe bis hin zur Geburtshilfe, ferner Grundlagen der Schafzucht, Schafschur und Schlachtung werden erlernt. Nicht zuletzt gehört auch Hundetraining zu den Inhalten. Schon die Ausbildung bietet also vielfältige Themen, die fit für die Karriere in der Schäferei machen.

Weitere Informationen:

Allgemeine Informationen hat die Bundesagentur für Arbeit im Berufe-Net zusammengestellt.

Das „Schafzucht – Magazin für Schaf- und Ziegenfreunde“ bietet online ebenfalls viele Informationen rund um Beruf und Ausbildung.

Neben den Betrieben selbst sind auch die regionalen Bauernverbände immer eine gute Anlaufstelle, um sich über Praktikums- und Ausbildungsplätze zu informieren.


Quellen:

https://web.arbeitsagentur.de/berufenet/beruf/steckbrief/319

https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-arbeiten-tierhalter/unterwegs-mit-dem-schaefer

https://www.fr.de/ratgeber/karriere/wie-werde-ich-schaefer-in-zr-90823412.html

https://www.zeit.de/arbeit/2018-10/schaefer-beruf-nachwuchsproblem-schafe-baden-wuerttemberg

https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/kreis-mainz-bingen/bingen/ein-seltener-beruf-jan-ole-stephan-ist-wanderschaefer-1960765

https://emagazin.friesenanzeiger.de/ru/profiles/e536bb82162d/editions/438dfe4c79198e31de6a/pages/6781923/widgets/83400843

https://www.ardmediathek.de/video/die-nordstory/bock-auf-schafe/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS8xOTQ0NTY2Zi01ZmQxLTRlMDYtOTkwNi0yNWExMDRmMmI1OWY

https://www.planet-wissen.de/natur/haustiere/schafe/pwieschafhaltung100.html

https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/schaeferei

 

01.06.2023, bearbeitet 20.12.2023

 

 

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