Dorothea: Mutter, Stadtgründerin, Unternehmerin, Fürstin
Dorothea Sophie Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg: Die Karriere einer selbstbewussten Frau im 17. Jahrhundert

 

Hatte sie eine Berufswahl? Ihre Eltern fädeln ihre erste Ehe ein. Dorothea ist gerade 16 Jahre jung. Dies ist das Los nahezu aller Frauen des höheren Adels bis ins 18. Jahrhundert. Infolge ihrer Heirat 1653 mit dem Herzog Christian Ludwig von Braunschweig-Lüneburg, den sie immerhin vor der Hochzeit kennen und schätzen lernen durfte, ist ihr erster Beruf vorgegeben: Herzogin.

Die Ehe währt nur zwölf Jahre. Ihr Gemahl erkrankt schwer und stirbt 1665. Dorothea wechselt in den Stand einer Herzogwitwe. Knapp drei Jahre darauf umwirbt sie der zweitmächtigste deutsche Fürst: Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Preußen. Diesmal kann sie frei wählen, ob sie in den Beruf der Kurfürstin aufsteigen will. Und sie willigt ein.

Seither residiert sie im Schloss Cölln an der Spree; auf der anderen Seite des Flusses liegt Berlin. Ihr Mann vermacht ihr u.a. ein etwa 50 Hektar großes Grundstück, das vor den Toren Cöllns liegt: ein sandiger Acker, zur Spree hin ein feuchter Wiesengrund. Die gebürtige Glücksburgerin entfaltet plötzlich unerwartete Kreativität und Initiative. Sie gründet auf dem Gelände eine neue Stadt, ab 1676 nach ihr "Dorotheenstadt" genannt. Heute ein Herzstück der deutschen Hauptstadt. Sie wertet eine frühere Reitallee vom Schloss zum Tiergarten, durch ihre Stadt führend, zur Flaniermeile "Unter den Linden" auf.

Viel mehr noch: Dorothea initiiert den Betrieb mehrerer Unternehmen: einer Meierei vor Berlin, eines Hotels mit Gastwirtschaft, später einer Papiermühle in der Neumark. Fast mittellos in ihre zweite Ehe gegangen, gelingt ihr der Aufstieg zu einer vermögenden Frau, die sich nicht zuletzt als soziale Unternehmerin versteht: Sie hebt in ihrem Herrschaftsbereich die persönliche Dienstbarkeit der Bürger auf. Sie stiftet und spendet für ein Hospital, für Witwenhäuser, für eine Kirche u.v.m.

Ihre moderne Einstellung kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass sie glasklar der religiösen Toleranz das Wort redet.

Die Schattenseite von Erfolg bleibt ihr nicht erspart: Neid, Missgunst, Verleumdung. Noch zu ihren Lebzeiten wird sie übler Eigenschaften verdächtigt: sie sei eine böse Stiefmutter, eine habgierige Person, eine Giftmischerin, ja strebe die Zerstückelung Brandenburg-Preußens an. Auch wenn die seriöse Geschichtswissenschaft diese Beschuldigungen als Luftnummern entlarvt, erzählen Schriftsteller von Schauspielen, Romanen und Krimis solche "Fake News" teilweise bis in die Neuzeit über die engagierte Kurfürstin.

In einem erstrangigen Literaturwerk, dem Kleistschen Schauspiel "Prinz Friedrich von Homburg" überdauert sie allerdings die Zeitläufte als einfühlsame Landesmutter. Und viele ihrer Werke, die Dorotheenstadt, die Prachtstraße "Unter den Linden" und einiges mehr erinnern über die Jahrhunderte hinweg und vermutlich weit in die Zukunft von ihrem erfolgreichen Wirken.

 

Quelle: Roderich Stintzing, Junge Glücksburger Prinzessin: Dorothea rockt Berlin, Berlin 2021, ISBN 978-3-944942-54-4