Forscher*innen stellen Studie zum Unterricht im Lockdown vor
Forscher*innen stellen Studie zum Unterricht im Lockdown vor

 

(ps) Seit 2020 kommt es pandemiebedingt immer wieder zu Schulschließungen, die mit Distanzunterricht aufgefangen werden. Neben technischen Herausforderungen bringt diese Form des Unterrichts auch pädagogisch und didaktisch "Neuland" mit sich. In Tübingen wurde eine Studie vorgestellt, die Licht auf die Erfolgsbedingungen des Distanzunterrichts wirft. Zentrale Erkenntnis: Für den Erfolg des digitalen Unterrichts ist der persönliche Kontakt zwischen Lehrkraft und Schüler*in besonders wichtig. Ein Überblick:

Schulschließungen und Wechselunterricht gehören derzeit noch zum unfreiwilligen Alltag der Schülerinnen und Schüler in Deutschland und in vielen Ländern der Welt. Ein Forschungsteam der Universität Tübingen und des Leibniz-Instituts für Wissensmedien hat untersucht, wie Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern den Distanzunterricht in Mathematik, Deutsch und Englisch während des ersten Lockdowns im Frühsommer 2020 bewerten und wahrgenommen haben. Der Forschungsschwerpunkt lag bei Fragen über Unterrichtsmethoden und deren Effekte sowohl auf die wahrgenommene Unterrichtsqualität als auch auf u.a. Motivation und Lernfreude der Schüler*innen. 

Die zentrale Erkenntnis: "Unterrichtsmethoden, die einen persönlichen Kontakt ermöglichen und Beziehungen aufrechterhalten, haben sich als besonders günstig für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler im Distanzunterricht herausgestellt." Es zeige sich, "dass beispielsweise Videomeetings oder auch persönliche Treffen der Lehrkraft mit einzelnen Schülerinnen und Schülern am meisten zur Unterrichtsqualität und zur Freude am Lernen oder der Anstrengungsbereitschaft beitrugen", teilt die Uni Tübingen mit. Hier entstünden digitale Lernsituationen, die den Erfahrungen im Klassenraum ähnelten und ein Gefühl sozialer Eingebundenheit trotz des Lockdowns ermöglichen. 


Selbstgemachte Lehrvideos am beliebtesten

Die besten Bewertungen erhalten ferner von den Lehrkräften selbstgemachte Lehrvideos. Was digital weniger versierte Lehrkräfte freuen dürfte: Hier spielt für die Schüler*innen die technische Qualität der Videos explizit keine besondere Rolle. Vielmehr sei es für die Schüler*innen wichtig, "das Gefühl [zu] haben, 'da hat sich jemand für uns richtig Mühe gegeben'", so die leitende Studienautorin Dr. Ann-Kathrin Jaekel. Dagegen schneiden professionelle Lehrvideos von Drittanbietern deutlich schlechter ab. Sie erhalten bestenfalls neutrale, teilweise negative Bewertungen im Hinblick auf die Lernerfahrungen. Hier zeige sich das "große Bedürfnis von Schülerinnen und Schülern nach einem persönlichen Kontakt zur Lehrkraft", so Jaekel.

Von den Lehrkräften wurde eine "große Bandbreite von Gestaltungsmöglichkeiten" genutzt, die jedoch "stark vom jeweiligen Unterrichtsfach und der Lehrkraft abhängig waren." Während im Mathematikunterricht vermehrt selbstgemachte Lehrvideos eingesetzt wurden, dominierten in den Fächern Deutsch und Englisch digitale Gruppenarbeiten. Auch hier wurden Angebote, die Möglichkeiten zur sozialen Interaktion untereinander und mit der Lehrkraft boten, als am "lernwirksamsten" bewertet. "Es ist jedoch auch klar, dass dies für Lehrkräfte mitunter einen großen Aufwand bedeutet", so Jaekel weiter. "Sie sollten ihren Schülerinnen und Schülern aber regelmäßig und verlässlich die Möglichkeit zum persönlichen Austausch geben." 

Für die Studie wurden im Frühsommer 2020 in Baden-Württemberg Daten erhoben. Hierfür wurden über 3.100 Schüler*innen der Klassen 5 bis 12 befragt, die sich auf alle Schulformen verteilen. Ferner wurden 227 Lehrkräfte und 1.688 Eltern befragt. Die Studie wurde auf Englisch veröffentlicht und ist kostenfrei einsehbar unter: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/23328584211052050 


Quellen: 

https://idw-online.de/de/news786313 

https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/tuebingen/tuebinger-studie-distanzunterricht-und-persoenliche-beziehung-100.html