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Wissenschaft und Politik

Miteinandern in der Arbeitswelt

Empathie kann man lernen – aus guten Gründen

Bild von Pressfoto auf Freepik

Seit einigen Jahren mehren sich Stimmen, die über den Verlust des sozialen Miteinanders klagen, über mangelnde Diskussionskultur und fehlende Empathie. In einer Studie von Prof. Grit Hein vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW) wurde nun gezeigt, dass dies keineswegs so sein muß – Empathie kann man (wieder) lernen.

 

(ps) Empathie ist ein Grundpfeiler jeder gelingenden Gesellschaft. Wenn ein soziales Gefüge aufhört, einander Empathie zu zeigen, bricht es über kurz oder lang zusammen. Umso besorgniserregender ist es, wenn man sich heute ansieht, wie wir im öffentlichen Raum miteinander umgehen. In den sogenannten sozialen Medien, in Diskussionsrunden und Debatten aller Art, aber aber auch in alltäglichen Situationen etwa im Straßenverkehr scheint die Bereitschaft zur Rücksichtnahme, zum Verständnis des Gegenüber, kurz: zur Empathie Mangelware zu werden. Es scheint, entweder schreien wir uns an, oder wir hören uns gar nicht erst an, was andere zu sagen hätten – Stichwort „cancel culture“. Bereits 2016 warnte der Zukunftsforscher Matthias Horx im DLF Kultur: „Die Erregungskultur, die wir erzeugt haben, ist toxisch.“

Das hat auch Auswirkungen auf die sozialen Orte, an denen die Menschen sich aufhalten müssen – den Schulen, den Ausbildungsbetrieben, Universitäten und schließlich den Arbeitsplätzen. All diese Orte leiden, mal mehr, mal weniger, am schleichenden Zusammenbruch der sozialen Umgangsformen. Erst jüngst haben Studien erneut aufgezeigt, dass digitales Mobbing, „Cybermobbing“, an Schulen ein wachsendes Problem darstellt. Am Arbeitsplatz sind ebenfalls deutliche Auswirkungen zu spüren: wenn hier kein kollegiales Miteinander herrscht, sinkt die Produktivität und auch die Arbeitsbereitschaft insgesamt, und nicht zuletzt ist Mobbing auch am Arbeitsplatz kein unbekanntes Phänomen. All diesen Problemen zugrunde liegt am Ende fehlende Empathie.

Doch es ist durchaus nicht so, dass dies ein Befund ist, mit dem nun mal zu leben ist. Wie das UKW mitteilt, gibt es hier Spielraum: „Denn nicht nur Kinder können empathische Reaktionen zusätzlich zu ihren genetischen Anlagen von engen Bezugspersonen übernehmen. Auch Erwachsene sind formbar und können durch die Beobachtung anderer lernen, mehr oder weniger mitfühlend zu sein.“ Grit Hein konnte aufzeigen, dass die Versuchsteilnehmer*innen „durch die Beobachtung empathischer Reaktionen anderer Personen lernten […], mehr oder weniger empathisch zu sein.“ Dazu Hein: „Je nachdem ob empathische oder nicht empathische Reaktionen beobachtet wurden, stiegen oder sanken die Empathie-Ratings.“ Dabei wurden u.a. auch die neuronalen Veränderungen analysiert und auf dieser Basis aufgezeigt, „dass die erhöhte oder abgeschwächte Empathie wirklich durch Lernen von anderen hervorgerufen wird und nicht nur bloße Nachahmung ist oder gezeigt wird um anderen zu gefallen.“

Unternehmenskultur kann ein Schlüssel sein

Im Ergebnis lohne es sich also, „in ein empathisches Umfeld zu investieren – Übertragen auf den beruflichen Kontext bedeutet das: Wer ein gutes Team haben möchte, muss für ein gutes Umfeld sorgen“. Denn das (Arbeits-)Umfeld forme auch die Mitarbeitenden selbst: „Wer aus Gründen des Sparens, Zeitmangels oder Missmanagements eine Arbeitsumgebung schafft, in der es an Empathie mangelt, muss sich bewusst sein, dass dieses Verhalten langfristig die Mitarbeiter formt“. Je nach Betrieb kann dies auch konkrete Auswirkungen nicht nur auf die Mitarbeitenden selbst habe, sondern auch auf die Menschen, mit denen sie beruflich umgehen müssen. So wirke sich das Arbeitsumfeld auch „auf den Umgang mit Kunden oder Patienten“ aus.

Diese Beobachtung decke sich auch mit bisherigen Erkenntnissen. Wird Empathie regelmäßig trainiert, könne dies sogar die grundsätzliche Motivationslage der Menschen verbessern. „Frühere Studien haben gezeigt, dass positive Empathie in eine prosoziale Motivation übergehen kann und unter anderem die Kooperations- und Hilfsbereitschaft erhöht.“ Allerdings gilt dabei auch, dass das richtige Maß wichtig ist: „Zu viel Empathie kann jedoch auch einen anderen Weg nehmen und Stress auslösen“.

Es gilt aber auch: „Um langfristig zu gedeihen, braucht Empathie aber ein Klima gegenseitigen Respekts. Man kann jemanden respektieren, ohne Empathie mit dieser Person zu haben, aber es ist schwer Empathie zu entwickeln, wenn die andere Person nicht als Mensch respektiert oder Respektlosigkeit in der Gesellschaft akzeptiert wird“, so Grit Hein. Hier stehen also die Unternehmen – und auch die Schulen – in der Pflicht, langfristig an der Kultur des Zusammenseins zu arbeiten. Im Zweifel lohnt es sich, auch externe Hilfe hinzuzuziehen. Das geht los bei Workshops etwa zu gewaltfreier Kommunikation, bis hin zu Teambuilding-Maßnahmen. Für Schulen stehen eine Reihe von Stiftungen und Vereinen zur Verfügung, die unterschiedlichste Angebote bereithalte, bspw. die Amadeu-Antonio-Stiftung mit Themen wie „Hate Speech & Debattenkultur“ oder „Demokratisch handeln“. Derlei Maßnahmen können als Stein des Anstoßes genutzt werden – es ist dann aber an den Verantwortlichen, eine prosoziale, respektvolle und empathische Verhaltenskultur auch für die Zukunft zu fördern und zu erhalten.


Quellen:

Informationsdienst Wissenschaft (idw): Pressemitteilung 22.02.2024 vom Universitätsklinikum Würzburg: „Jeder Mensch kann lernen, mehr oder weniger empathisch zu sein“: https://idw-online.de/de/news829127

DLF Kultur: Matthias Horx über Netzkommunikation: https://www.deutschlandfunkkultur.de/matthias-horx-ueber-netzkommunikation-die-erregungskultur-100.html

 

22.02.2024

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